100 Tage im Amt des ärztlichen Direktors
Seit ihrer Amtsübernahme vor 100 Tagen haben Prof. Dr. Jan Kaminsky, Chefarzt der Abteilung für Neurochirurgie, und Dr. Wolfgang Haist, Chefarzt der Inneren Medizin, als Führungsteam des Sankt Gertrauden Krankenhauses innovative Maßnahmen eingeführt, um die medizinische Exzellenz und Pflegequalität zu erhöhen. In unserem Interview geben sie Einblicke in ihre Strategien zur Bewältigung der Herausforderungen des Gesundheitswesens, insbesondere hinsichtlich der bevorstehenden Krankenhausreform und der Förderung der interdisziplinären Zusammenarbeit.
Sie haben das Amt von Prof. Kaschke und Dr. Hausdorf übernommen. Wie haben Sie sich seit der Übernahme Ihrer neuen Rolle zurechtgefunden?
Dr. Haist: Für mich ist es keine völlig neue Rolle, da ich bereits drei Jahre als Ärztlicher Direktor und zwölf Jahre als stellvertretender Direktor tätig war. Nach einer kurzen Auszeit habe ich diese Position erneut auf Wunsch der Geschäftsführung übernommen. Trotz meiner umfangreichen Erfahrung in leitenden Positionen bringt jede neue Herausforderung ihre eigenen Anforderungen mit sich. Glücklicherweise konnte ich auf ein solides Fundament zurückgreifen, das von meinen Vorgängern geschaffen wurde. Nun strebe ich danach, dieses weiterzuentwickeln und zu verbessern. Besonders inspirierend ist die Zusammenarbeit mit Prof. Kaminsky, dessen frische Perspektiven und Ideen mir neue Einblicke in unserer ersten gemeinsamen Zeit gegeben haben.
Prof. Dr. Kaminsky: Es handelt sich um eine neue und sehr spannende Rolle für mich, die mir die Gelegenheit bietet, aktiv an der Zukunftsgestaltung teilzuhaben. Zu Beginn meiner Amtszeit habe ich ausführliche Gespräche mit allen Chefärzten geführt, um einen Überblick über die aktuellen Herausforderungen und möglichen Verbesserungsbedarf zu erhalten. Diese Gespräche, einschließlich der Diskussionen mit den vorherigen Amtsinhabern, waren enorm aufschlussreich für die Priorisierung von Themen und die Ausrichtung meiner Amtsleitung.
Gab es in Ihrer bisherigen Amtszeit bereits Gelegenheiten, signifikante Änderungen oder Verbesserungen einzuleiten?
Prof. Dr. Kaminsky: Absolut, in meiner Amtszeit haben die Diskussionen mit den Chefärzten verschiedene Verbesserungsvorschläge hervorgebracht, von denen wir bereits zwei Projekte umgesetzt haben. Das erste Projekt umfasste die Einführung von Lenkungsgruppen für übergreifende Entscheidungsprozesse. Diese Gruppen nutzen ein schrittweises digitales Verfahren, um Anforderungen, Ziele und Lösungsvorschläge zu sammeln, zu bewerten und daraus standardisierte Vorgehensweisen (SOP) oder Beschlüsse zu entwickeln. Ein Vorteil ist, dass dies online erfolgen kann, was Flexibilität bietet und nicht zwingend persönliche Treffen erfordert. Ein Beispiel für die erfolgreiche Umsetzung dieses Ansatzes ist die Verbesserung der Aufnahmeprozeduren für ungeplante Aufnahmen, welche darauf abzielte, die Effizienz und die Qualität der Prozesse zu steigern.
Das zweite Vorhaben befasst sich mit der Umgestaltung der Chefarztkonferenzen, die von den Kolleg:innen unterschiedlich wahrgenommen wurden. In den Gesprächen wurde deutlich, dass die Konferenzen in bestimmten Aspekten zu groß und in anderen zu klein waren. Einerseits waren sie zu groß, um effektive Beschlüsse zu fassen oder vertrauliche Gespräche zu führen. Andererseits waren sie zu klein, da nicht alle Beteiligten einbezogen waren.
Die Idee besteht nun darin, den Informationsbereich der Konferenz zu erweitern und den persönlichen Austausch zu verkleinern, sodass die Chefs unter sich sind. Es soll einen vertraulichen, internen Austausch geben, bei dem die Protokollierung anders gehandhabt wird, um Probleme zu besprechen und ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Zusätzlich soll es einen größeren Teil geben, an dem nicht nur die Chefärzte, sondern auch Sektions- oder Bereichsleiter sowie leitende Oberärzte oder andere relevante Personen teilnehmen, um spezifische Themen zu diskutieren, die normalerweise nicht auf der Tagesordnung der Chefärztekonferenz stehen.
Dr. Haist: Wir haben zudem die Praxis etabliert, die Geschäftsführung regelmäßig in unsere Chefarztkonferenzen zu integrieren. Diese direkte Beteiligung ermöglicht einen kontinuierlichen und unmittelbaren Austausch zwischen der Geschäftsführung und den leitenden Ärzten unseres Hauses. Durch diesen verstärkten Dialog verbessern wir die Kommunikation und verkürzen die Entscheidungswege erheblich. Die Chefarztkonferenzen bieten dabei den idealen Rahmen, um strategische Entscheidungen schnell und effizient zu diskutieren und zu treffen. Dies fördert eine agile Organisationsstruktur, in der wir schneller auf die dynamischen Anforderungen des Gesundheitswesens reagieren können.
Welche Herausforderungen sehen Sie auf das Gesundheitswesen zukommen und wie planen Sie, diese im Rahmen Ihrer neuen Position anzugehen?
Prof. Dr. Kaminsky: Eine der größten Herausforderungen, vor denen wir stehen, ist der zunehmende Wettbewerb durch nicht-traditionelle Akteure wie digitale Anbieter und andere neue Marktteilnehmer. Dies zwingt traditionelle Gesundheitssysteme dazu, ihre Modelle anzupassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Eine weitere Herausforderung ist der Arbeitskräftemangel, insbesondere im klinischen Bereich wie bei Pflegefachkräften, was die Kapazität der Gesundheitssysteme einschränkt. Darüber hinaus besteht die Herausforderung darin, den steigenden Bedarf an neuen Fähigkeiten zu decken. Gesundheitssysteme müssen ihre digitalen Angebote ausbauen und die Patientenerfahrungen verbessern, um den von Einzelhandel und anderen Dienstleistungssektoren gesetzten Erwartungen gerecht zu werden.
Dennoch sehen wir diese Tendenzen als Ansporn, unsere führende Position weiter zu festigen und unsere medizinischen Leistungen kontinuierlich auf höchstem Niveau zu halten. Der Arbeitskräftemangel motiviert uns, unsere Anstrengungen zu intensivieren, um weiterhin talentierte Fachkräfte anzuziehen und zu halten. Wir bieten ausgezeichnete Ausbildungsmöglichkeiten für Fachkräfte in der Pflege an und bilden als Akademisches Lehrkrankenhaus der Charité Studierende der Medizin weiter, die die Kolleginnen und Kollegen von morgen sind. Zudem konzipieren wir für unsere Mitarbeitenden flexible und persönliche Dienstpläne und investieren in Schulungen und Entwicklungsprogramme, um motivierte und talentierte Kolleg:innen im Haus zu fördern und zu befördern.
Auf der digitalen Front setzen wir auf eine fortschrittliche Integration digitaler Technologien, um sowohl interne Arbeitsabläufe als auch die Patientenbetreuung und -sicherheit zu optimieren. Wir etablieren kontinuierlich die neueste medizinische Software und investieren in kollaborative Plattformen, die es ermöglichen, Fachwissen über traditionelle Grenzen hinweg zu teilen und die Patientenversorgung effizienter zu gestalten. Diese digitalen Initiativen helfen uns, an die Spitze der technologischen Entwicklung im Gesundheitswesen vorzustoßen.
Dr. Haist: Eine weitere Herausforderung ist die bevorstehende Krankenhausreform. Diese Reform ist derzeit noch von vielen Unsicherheiten geprägt, da das endgültige Ergebnis noch offen ist. In dieser Phase der Unsicherheit ist es besonders wichtig, dass wir als Krankenhaus proaktiv handeln. Deshalb streben wir eine noch intensivere Zertifizierung unserer Fachabteilungen an. Diese Zertifikate sind nicht nur ein Beleg für unsere medizinische Kompetenz, sondern auch ein wichtiges Instrument, um die Qualität unserer Leistungen transparent und messbar zu machen.
Gemeinsam mit allen Chefärzten setzen wir uns für Transparenz und aktive Mitgestaltung ein, um frühzeitig auf Veränderungen reagieren zu können. Dies stärkt nicht nur die interne Struktur unseres Krankenhauses, sondern auch das Vertrauen unserer Patient:innen und der Öffentlichkeit in unsere Einrichtung. Unser Ziel ist es, unsere Qualitätsstandards messbar und sichtbar nach außen zu tragen. Wir möchten den gesamten Prozess transparent gestalten und aktiv mitgestalten, um in unseren jeweiligen Bereichen entsprechend agieren und reagieren zu können. Dies ist besonders wichtig, um das Leistungsspektrum unseres Krankenhauses auch in der Phase der Neustrukturierung umfassend zu erhalten und zu stärken, damit wir eine starke Verhandlungsposition in den bevorstehenden Veränderungen einnehmen können.
Wie sieht für Sie eine ideale Zusammenarbeit im Team aus und wie möchten Sie die interdisziplinäre
Zusammenarbeit im Krankenhaus fördern?
Dr. Haist: Eine ideale Teamarbeit basiert auf Transparenz und Kommunikation, indem alle Beteiligten in Entscheidungsprozesse eingebunden sind und gemeinsam Lösungen finden. Im Sankt Gertrauden fördern wir interdisziplinäre Zusammenarbeit durch Lenkungsgruppen, die verschiedene Fachbereiche vereinen, und durch das Einbeziehen unseres Controllings in medizinische Prozesse. Diese Integration verbessert den Informationsfluss und das gegenseitige Verständnis. So zum Beispiel nehmen sowohl das Medizin-Controlling als auch leitende Pflegeführungskräfte an Visiten teil, was den Austausch zwischen Pflege und Ärzten fördert und unsere Leistungserbringung effizienter gestaltet. Zusätzlich unterstützen regelmäßige Stationsbesprechungen den Teamgeist und sorgen dafür, dass alle Teammitglieder auf dem gleichen Stand sind und effektiv zusammenarbeiten. Diese Maßnahmen spiegeln unser Engagement wider, eine Kultur der Kooperation und des offenen Dialogs zu etablieren, die essenziell für hervorragende Patientenversorgung und die Weiterentwicklung unseres Krankenhauses ist.
Herr Prof. Dr. Kaminsky und Herr Dr. Haist, ich übergebe Ihnen nun das Schlusswort.
Prof. Dr. Kaminsky: In der Tat leben wir in herausfordernden Zeiten, die von zahlreichen Veränderungen und Umbrüchen geprägt sind, sodass unsere Amtszeit, die auf drei Jahre angesetzt ist, in eine politisch interessante Phase fällt. Es ist besonders spannend, dass wir so nah am Geschehen sind und die Möglichkeit haben, aktiv mitzugestalten – sowohl im Sinne unseres Hauses als auch der verschiedenen Abteilungen.
Dr. Haist: Wir hoffen, dass wir am Ende dieser Periode signifikant zum Fortschritt und Erfolg beitragen können. Mit Zuversicht blicken wir in die Zukunft und haben vollstes Vertrauen in unser exzellentes Team. Wir sind überzeugt, dass unsere gemeinsamen Anstrengungen uns ermöglichen werden, den Herausforderungen erfolgreich zu begegnen und unsere Ziele zu erreichen.
Wir gratulieren Prof. Dr. Kaminsky und Dr. Haist zu ihren ersten Monaten in ihren neuen Positionen und blicken weiterhin erwartungsvoll auf die Entwicklungen, die sie im Sankt Gertrauden Krankenhaus vorantreiben werden.