Zwei starke Frauen, verlässliche Prinzipien & ihre starke Wurzel

Bei P. Adrian Kunert SJ

Manchmal kommt man sich ja vor wie in einem Irrenhaus. Alles geht drunter und drüber und man selbst kommt sich vor wie der letzte normal denkende Mensch. Egal wohin man schaut scheint sich der Irrsinn dann auch noch zu beschleunigen… Aber was nutzt einem die ganze Geschwindigkeit, wenn man nicht weiß, ob die Richtung überhaupt stimmt und ob man nicht ab und an entschleunigen sollte, weil es den Zug sonst aus der Bahn würfe oder um sich des Kurses zu vergewissern? Dieses Problem entstand nicht erst in unserer Zeit.

Am 17. November 1302 starb Gertrud von Helfta, eine der ganz großen Frauen des Mittelalters. Sie ist die Patronin unseres Krankenhauses. Als Waisenkind im Kloster Helfta (heute ein Stadtteil von Eisleben) von der weitsichtigen Äbtissin Gertrud von Hackeborn aufgenommen und erzogen, war auch sie bis ins Alter von 26 besessen vom immer Mehr und vom sich ständig Vergleichen mit den anderen, denen sie in nichts nachstehen wollte – also ein typisches Konkurrenzverhalten im weltlichen Sinn. Wissen horten, hervorstechen durch Gelehrsamkeit das war bis dahin ihre Welt bis zu ihrer eigentlichen Bekehrung. Mit 26 Jahren hatte sie eine erste Vision, die ihre Sicht auf sich und die Welt total verändern sollte. Christus erschien ihr und sagte: Bisher hast Du mit meinen Feinden vom Staub der Erde gegessen und aus ihren Dornen ein paar Honigtropfen gesaugt. Komme zu mir – ich will dich trunken machen mit dem Strom meiner göttlichen Wonnen. Und was geschah dadurch? Entschleunigung oder keine Konkurrenz mehr? Sie begann nun alles aus dieser Beziehung zu Christus neu zu sehen, ihre Arbeit, ihr Studium, ihr Gebet. Sie konnte jetzt, da sie ihre eigentliche Beziehung erkannt hatte, in der sie nichts mehr beweisen musste, anfangen mit anderen in eine christliche Konkurrenz zu treten. Das Wort „concurrere“ im Lateinischen heißt „zusammen eilen“. Im weltlichen Sinn machen hier alle auf einem Gebiet dasselbe, um als erste ans Ziel zu gelangen. Im christlichen Sinn eilt man zusammen und jeder macht dabei, was er am besten kann. Gemeinsam freut man sich dann des gemeinsamen erreichten Zieles. Der Rhythmus der Bewegung wird dabei mehr und mehr vorgegeben durch die gemeinsame Beziehung zum selben Ursprung, sodass auch die zwischenmenschlichen Beziehungen nicht leiden trotz aller Hektik. Ich denke, Gertrud hat uns auch heute noch einiges zu sagen, wenn es mal wieder besonders irre zugeht.

Die andere große Frauengestalt, derer wir am 25. November gedenken, ist die heilige Katharina, die Patronin des Katharinenordens. 306 in einer der letzten großen Christenverfolgungen vor dem Toleranzedikt von Mailand 313, erlitt sie das Martyrium, ihren Geburtstag für die Ewigkeit. Kaiser Maxentius, der Gegenspieler vom späteren Konstantin dem Großen, wollte der Legende nach auf dem Weg zu einem Kreuzzug höchst persönlich Katharina zum Opfer zwingen. Aber Katharina lehnte dies nicht nur ab, sondern verlangte, 50 Philosophen sollten mit ihr darüber diskutieren. Sie ließen sich nach dem Gespräch taufen. Katharina wurde nach einigem hin und her gefoltert. Die Art und Weise, wie sie dies ertrug, brachte weitere Menschen zu Christus. Warum ich aber gerade diese Stelle der Katharinenlegende erwähne ist, dass sie etwas über den Orden der Katharinenschwestern und damit auch über die Grundlagen unseres Hauses zeigt. Es gibt immer wieder schwierige Situationen im Leben, manchmal sogar lebensbedrohliche. Die christliche Haltung ist nun weder den Kopf in den Sand zu stecken, noch mit Gewalt darauf zu reagieren (übertragen: kaltes Gewinnstreben) oder sich depressiv hin und her treiben zu lassen, sondern wie bei Katharina, konsequent den guten Weg zu suchen auf Grundlage der Werte für die man steht und vor allem, indem man dabei im Gespräch bleibt. Dem Bösen wurde widerstanden, nicht mit Gewalt, aber bestimmt. So eine Orientierung an den Werten, die man hat, trägt durch, gerade auch in schwieriger Zeit.

Beide Frauen lebten aus einer gemeinsamen Wurzel, ihrer Beziehung zum Ursprung, zu Christus. Das ließ sie in der Hektik auch ihres Alltages einerseits immer wieder den rechten Rhythmus finden für die Arbeit und die Gemeinschaft, andererseits ließ diese Wurzel sie auch mehr Kraft, Gewissheit und gute menschliche Umgangsformen ziehen, für die Konflikte, in die sie hineingestellt waren.